
Bericht IDM Pirat Warnemünde 08.-11.07.2021
Nachdem die letzten großen Segelevents leider nicht stattfinden konnten, gab es dieses Jahr
endlich wieder eine Warnemünder Woche in deren Rahmen wir unsere Internationale Deutsche Meisterschaft aussegeln konnten. Christians und meine letzten Seesegelerfahrungen im Piraten waren gute 4Jahre alt, damals leider von Materialschäden bei den üblichen 25-30kn Wind aus West und von der gemeinen Warnemündewelle geprägt. Das sollte dieses Jahr anders werden, da sich unsere viel Wind Performace doch verbessert hat und wir mittlerweile auch bei Starkwind gut konkurrenzfähig sind.
Leider konnte Christian, aufgrund von Corona und seiner damit verbundenen Urlaubsverschiebung nicht teilnehmen. So habe ich meinen alten Vorschoter und Freund Nico Köhlke eingepackt, mit dem ich letztes Jahr noch Berliner Meister geworden bin. Die Messlatte lag also trotz mangelndem Training recht hoch und das von uns ausgerufene Ziel war: Top 10 und einstellig bleiben. Neben uns starteten 50 Piraten, unter anderem auch Daniel Salewski vom SC Schwielochsee, bei dem Alex Wehrmeister aus unserem Verein an der Fockschot saß bzw. bestens unter den Ausreitgurten hing.
Unsere Reise begann am Mittwochvormittag 07.07. einmal mit Anhänger durch Berlin City, also von Kaulsdorf nach Lichtenberg (Alex einsacken) und dann gemeinsam Richtung Warnemünde. Die Fahrt war trotz 80km/h sehr kurzweilig und hatte viele gute Themen zu bieten. In Neuruppin ist Nico dann mit eigenem PKW dazu gestoßen und folgte uns unauffällig bis Warnemünde.
Die Veranstaltung fand direkt auf der Mittelmole statt, sodass mit uns in der 2. Wochenhälfte noch die Laser Standard, Laser Radial und Laser 4.7 ihre Europacups und die Contender ihre Europameisterschaft aussegelten. Entsprechend voll wurde es bei der Anreise und es ergab sich ein gut organisiertes Chaos auf dem Sattelplatz. Also hieß es, schnell Boot abladen, Mast stellen, anmelden und Unterkunft beziehen, die in zentraler Lage war. Anmelden konnte sich nur wer Messbrief, Versicherungsnachweis und negativen Coronatest vorlegen konnte. Das war für uns natürlich überhaupt kein Problem. Die restlichen Bootsaufbauarbeiten haben wird dann abends bei Sonnenuntergang, mit einem entsprechenden Kaltgetränk in geselliger Runde erledigt.
Am Donnerstag den 08.07. ging es dann endlich aufs Wasser. Wir waren die Bootsklasse, die die längste Anreise zur Regattabahn hatte. Der erste Start war zu 10 Uhr angesetzt, Anfahrt ca. 1 – 1,5 Stunden, demnach war unsere Deadline zum Ablegen 08:30. Pünktlich um 07:45 waren wir die ersten Gäste beim örtlichen EDEKA um noch Verpflegung in Form von Käsewiener, Äpfeln, Bananen und Cornys zu ergaunern. Danach ging es auch direkt an die Schiffe.
Wir waren pünktlich und startklar. Der Commander an der Slipanlage hat uns dann allerdings etwas hängen lassen. Die Piratenklasse war die letzte die ablegen durfte. Vor uns also 170 Laser und 80 Contender die ins Wasser gingen, was so +/- 5 min dauerte. Die Logik dahinter haben wir nicht weiter hinterfragt.
Endlich auf der Regattabahn angekommen, gab es leichte 6-8kn Wind aus Süd und keine Welle, was ganz Entspanntes zum angewöhnen. In Summe waren 10 Rennen geplant und für heute 3, die Serie hat am Ende nur einen Streicher, sodass sich Konstanz auszahlen sollte.
Die Erste Wettfahrt war auch gleich mal unser Streicher. Start verpasst, einstellig von hinten an der Luvtonne und dann noch einigermaßen ins Mittelfeld gerettet, Platz 23 im ersten Rennen. Okay, ich habe mal gehört, unter Druck entstehen Diamanten, aber entspannt ist anders.
Das 2. Tagesrennen war dann schon besser, sauberer Start, Top 10 an der Luvmarke und auf der 2. Kreuz standen die Windräder an Land so weit rechts, dass sich die Wette lohnen musste und der Rechtsdreher letztlich auch kam. Platz 2 an der Luvtonnen, nur auf Vorwind unter Spi mussten wir uns dann noch meinem Freund Butze geschlagen geben, der technisch einfach unglaublich sauber und schnell gefahren ist. Wieder zurück an Land, gab es noch ein Anlegebier, also für mich immer 2, da Nico nicht trinkt. Riesen Vorteil übrigens im Vergleich zu Christian :D
Das erste Zwischenresultat war ein 14. Platz, im Grunde noch alles offen und so ließen wir den Abend in Warnemünde bei sommerlichen Temperaturen am Strand entspannt ausklingen.
Über Nacht drehte der Wind auf Nord und für Freitag waren 10-14kn Wind mit leichtem Linksdreher angesagt. Also 180 Grad zum Vortag, was die Sache zum Segeln schon etwas komplexer gemacht hat. Nächste Herausforderung war, dass unsere Regattabahn sehr, sehr weit auf See war und Wind aus Nord in Warnemünde bedeutet: „da strömt wat, und dat nich wenig“ .
In der Regel lässt sich das ganz gut an den Tonnen erkennen, die quasi durchs Wasser fahren und ja, sowas kann man messen und eigentlich weiß ich auch wie. Und noch ein „ja“ als erfahrener Regattasegler solltest du die Strömung bei jedem Start, bei jedem Anlieger und bei jeder Wende mit einkalkulieren. So viel zu den Rahmenbedingungen.
Der Start der 3. Wettfahrt am 2. Tag verlief nämlich genau so, dass wie fast immer in Warnemünde das Pinend bevorteilt war. Grundsätzlich war bei allen Starts am Vortag am Pinend noch Platz, weil das natürlich die beste Position war, die in der Regel aber auch von den da startenden Schiffen hochrangig besetzt ist. In dem Fall sind wir beim Start auch gut rausgekommen, nur dann leider am Pinend hängen geblieben (Ankerleine hin oder her – wir waren in netter Gesellschaft) und hatten im Anschluss das komplette Feld wieder vor der Brust. Es lief also hervorragend und im Ziel Stand dann ein 28. Platz. Schade, dass wir unseren Streicher schon gestern gefahren haben…
Dazu kam noch dieses Gefühl: „Boot fährt nicht schnell“. Manchmal ist das ja auch so ne Kopfsache. Fährst du vorn, läuft alles. Fährst du hinten, läuft nichts und das Boot läuft erst recht nicht. Ich habe mir jedenfalls eingebildet, dass es nicht richtig fuhr bei den Verhältnissen. Es war viel Welle mit relativ wenig Wind (10-14kn). Teilweise hatten wir gefühlt echt Probleme über die Welle zu kommen. Das lag meiner Meinung daran, dass Nico mit 90kg einfach etwas schwerer als Christian ist und wir eben nicht richtig über die Welle gekommen sind, weil uns der Druck gefehlt hat. Also kurze Trimmänderung, was man im Piraten am einfachsten mit Klötzern im Maststuhl macht. Man mag kaum glauben, aber ein 2mm Klotz am Mastfuß unten bedeutet oben schon wesentlich mehr/weniger Mastbiegung. In unserem Fall brauchten wir weniger Biegung, also mehr Bauch und haben demnach so zu mehr Druck gefunden. Also: wer hat aufgepasst? Ja, wir haben einen Klotz mehr rein gepackt.
Nach der Umstellung lief die 2. Tageswettfahrt schon deutlich besser und wir sind nach einem weniger risikofreudigen Start an der Luvtonne von Platz 15. noch auf Platz 10. gefahren. Boot war wieder wesentlich schneller und machte Lust auf mehr segeln. In der letzten Tageswettfahrt frischte der Wind weiter auf und wir sind am Ende noch ein sauberes Rennen mit einem 6. Platz gefahren.
In Summe waren wir mit dem Ergebnis an dem Tag ganz zu frieden. Es gab dazu einige Startversuche die mit einigen BFD’s endeten, was wir aber zum Glück vermeiden konnten. Zurück an Land kam auch schon die angekündigte Regenfront an und es regnete wirklich, wirklich viel. Abends gab es im Lokschuppen noch ordentlich Buffet und im Anschluss ging es an unsere Klassenvereinigungssitzung.
Die Wetterprognose für Samstag sah nach weniger Regen, dafür aber nach wesentlich mehr Wind aus. Angekündigt waren 20kn Wind für Samstag und der Abend endete im Dauerregen für Daniel und mich recht spät, oder früh? Wie man’s nimmt… der Abend war lang aber das gesellige Zusammensitzen gehört auch dazu.
Samstag früh dann das übliche Prozedere: Klamotten an, Spraytop, Bäcker, Edeka, ab zum Hafen. Wir haben am ersten Tag Aufbackbrötchen und Garnitur gekauft, hatten nur leider keinen Backofen in unserer Ferienwohnung. An den Folgetagen haben wir morgens immer direkt den örtlichen Bäcker ToGo geplündert und uns mit Café, Hackepeter und Frischkäsebrötchen eingedeckt. Das hat uns Arbeit gespart und guter Café am Morgen vertreibt die Kopfschmerzen vom Vortag besser. Beim Bäcker raus und auf dem Weg zur Mittelmole wurde es schon etwas zugiger… Ist immer schwer zu erkennen wieviel Wind ist, wenn du aus der Altstadt kommst und keinen Seeblick hast.
Okay, als wir dann freien Blick auf die See hatten, war uns recht schnell klar: „Dat wird heute nix.“ Aber es gab viele nette Gesichter, die uns in kompletter Segelmontur morgendlich begrüßten. Die Wettfahrtleitung hat sich bei 35kn Wind am Vormittag dazu entschlossen bis 12Uhr abzuwarten, da sollten dann noch segelbare 20-25kn sein. Die Welle stand natürlich trotzdem noch. Mir kam das recht entgegen, kleines Vormittagsschläfchen war jetzt nicht so verkehrt. Ja und 12Uhr ging es dann wirklich auf’s Wasser, was schon durchaus grenzwertig war, aber es ging.
Wir waren mit die Letzten, die abgelegt haben. Getreu dem Motto: „nicht länger als muss + bloß keine Körner vorm Start verschießen“. Sind dann also raus, haben die Mole umrundet und dann kam da auch schon unsere 2,5m (1,25m für die Profis unter uns) Welle, in die so’n Pirat so überhaupt nicht passt, aber egal – anderes Thema.
Erstes Rennen ging gut los, guter Start richtige Seite, richtige Seite auf der Kreuz und an der Luvmarke Platz 2, dann noch eine Halbwind, Platz 1 erobert und dann 3 Schiffe inkl. uns die zeitgleich durch das Leegate gehen. Wir befinden uns im absoluten Racemodus, jetzt wird nichts verschenkt. Die volle und letzte Kreuz hatte ungefähr die Länge von Wildau bis Altenhof, wirklich nicht übertrieben, Luvtonne nur über Kompass zu orten. Hängen, hängen, hängen, Zähne zusammenbeißen, die Oberschenkel fangen an zu brennen, jede 3. Welle fährt dir über den Kahn, Niederhalter auf alles anziehen was geht, Traveller raus, Lenzklappen inkl. Torpedoluken hinten komplett offen. Die ersten 3 Schiffe sind auf 30m verteilt, Steuerboard-Streckbug. Du kämpfst dich im Schlängellinienmodus durch jede Welle, gewinnst einen Meter, verlierst einen Meter. Spätestens jetzt wird das ganze zum Sport. Alle 3 Schiffe sind absolut gleich schnell, am Ende entscheiden nur die 2 Menschen auf ihrem Schiff über Sieg oder Niederlage. Auf die Distanz von einer halben Werbellinseelänge fehlten uns schließlich 20m und wir hatten im direkten Vergleich das Nachsehen.
Egal! Das ist es was den Segelsport für mich ausmacht, was sich nach ehrlichem Sport anfühlt und ja, wo der beste gewinnt und das war in dem Rennen eben Mr. Höft der sich das absolut verdient hat.
Nach dem Zieldurchlauf wurde es ruhig bei uns an Board, was nicht an dem verpassten Sieg lag, eher an der Magenverstimmung von Nico. Das mit der Seekrankheit ist so ne Sache und kannten wir noch von früher, aber schon auch blöd. Mein abgekämpfter Mann verweigerte die Nahrungsaufnahme, keine Käsewiener, keine Banane, kein Wasser nicht mal die Pausenkippe wollte er. Meine musste ich mir erstmalig selbst anzünden, der Service lief sonst immer.
Rennen 2 war an dem Tag leider wieder eine absolute Gurke, schlechter Start, im Ziel Platz 18. Das 3. Tagesrennen begann super und endete mit meinen nachgeholten Penaltys der letzten 10 oder 15 Jahre. Luvtonnen Top 5, alles gut. Dann Spi hoch und richtig Abfahrt Halbwind, kurz in der Welle einmal angezogen, damit wir losrutschen und dann ertönte eine abgefu* Trillerpfeife. Ich konnte es kaum glauben…
Gut, zugegeben, vielleicht habe ich auch 2 mal angezogen, aber ey, 25kn Wind, 2 m Welle, früher gab’s bei Wind da mal so’ne Flagge, da konntest du alles auf deinem Schiff veranstalten und das hat niemanden interessiert. War in dem Fall leider nicht so und wir mussten den Spi runter nehmen, 2 x 360 Grad drehen und durften dann wieder unseren Spi setzen. Wie schnell dann 10 Schiffe an dir unter Spi vorbeifahren, haben wir so live erleben dürfen.
So what, weiter geht’s, letzte Halbwind, Spi runter und auf zum Gate. Alle reihen sich wie an einer Perlenschnur auf. Es passiert, was passieren musste,… eine dicke Welle und die Tonne ditscht uns so ganz seicht ans Boot. Hinter uns kam natürlich auch jemand, der musste das selbstverständlich sehen, sich natürlich ganz doll aufregen, Protest rufen, Tonne berührt, blala..
Nico hätte den, glaube ich, trotz Seekrankheit am liebsten gleich aufgefressen. Wäre bestimmt auch gegangen, aber genau in der Peilung hinter mir zur Tonne stand ausgerechnet mein Freund von der Jury, der alles bestens im Blick hatte und uns die 2 Penaltys vorher ja schon übergeholfen hat. War super, gab dann noch einen „freiwilligen“ Penalty, also nochmal 360 Grad Drehung und war natürlich sehr bescheiden für das Endresultat. Irgendwas mit 22 und wir waren absolut bedient, weil Top 5 an Tonne 1 und dann sowas.. das ist nicht cool.
Im Hafen angekommen, gab es dann wieder das obligatorische Anlegebier, bei bestem Wetter nach einem langen, wirklich anstrengenden Segeltag. Eigentlich hatte ich mich an dem Abend noch mit Hansi verabredet, der mit seinem Schiff in der Hohen Düne, Steg C Nr. 80 lag und die Geschehnisse an Hand der Ergebnisse mitverfolgte. Ich musste mich aber leider entschuldigen, weil ich nach dem Tag platt wie eine Flunder war und nur die Waagerechte gesucht habe.
Für Sonntag war dann deutlich weniger Wind angesagt, 8-10kn aus Ost. Also mal wieder was ganz Anderes. Bevor es aber soweit war klingelte der Wecker erstmal um 7Uhr. Ferienwohnung ausräumen, Bootstrailer ran holen und möglichst greifbar im Verein abstellen. Der Vorteil heute, die Contender waren mit ihren Rennen am Samstag schon komplett durch und so konnten wir deren Regattabahn nutzen, was eine wesentlich kürzere Anreise zur Folge hatte. Da wir mit einem Rennen in der Serie im Rückstand lagen, waren also noch 2 Rennen für den letzten Wettfahrttag geplant.
Beim Ablegen 25 Grad, Sonne, blauer Himmel, glatte See. Spraytop und Neo brauchst da nicht… Naja sah dann draußen leider wieder etwas anders aus. Auffrischender Wind, am Ende wieder so 15-20 kn und ordentlich Welle aus Ost. Nach 8 Rennen sind die Plätze ganz vorn etwas weiter in die Ferne gerückt und am Ende war das Tagesziel einfach noch 2 saubere Rennen fahren. Frei starten, die Line hat das auch wirklich mal zugelassen und kein Stress mit irgendwelchen Jury’s oder sonstige Ausfälle. Mit den Plätzen 13 und 10 ist uns an dem Tag so auch noch ein ganz versöhnlicher Abschied von Warnemünde gelungen.
Unser Endresultat nach 10 Rennen mit den Einzelplatzierungen (3,4,6,10,10,13,18,22,23,(28)) war ein 10. Platz. Die Top 10 erreicht und somit das ausgerufene Ziel geschafft, nur an der Einstelligkeit müssen wir im Laufe der Saison noch etwas arbeiten.
Abschließend lässt sich sagen, die Besten haben gewonnen, herzlichen Glückwunsch an Svenja und Butze, die bei unterschiedlichsten Windverhältnissen, mit 8 x Platz 2 und 1 x Platz 7, die konstanteste Serie gefahren sind und sich knapp aber verdient, am letzten Tag den deutschen Meistertitel vor Donald und Leon sicherten.
Für uns waren es kräftezehrende, lehrreiche Segeltage, die den Ansporn und den Spaß am Segelsport weiter entfachten und die Vorfreude auf die Europameisterschaft am Vierwaldstädter See in der Schweiz im August geweckt haben. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass auch ganz vor’n für uns was geht, aber Konstanz sich dann eben doch auszahlt.
Daniel und Alex sind in Summe einen 13. Platz gefahren, was für eine noch nie zusammen gefahrene Crew aus meiner Sicht ein absolut starkes Ergebnis ist. Besser geht immer, aber da hilft nur: „mehr Segeln und schlau Segeln“. Zum für uns anstehenden Saisonhighlight in der Schweiz sind nur die ersten 25 der deutschen Rangliste zugelassen. Deutschland stellt damit das stärkste Feld. In Summe werden 50 Schiffe kommen, die unter anderem aus der Türkei, Österreich, Tschechien, Ungarn und der Schweiz anreisen werden. Gucken ob unsere Ruderanlage dann wieder 25g zu leicht ist :D
Ich wünsche allen eine erfolgreiche Segelsaison und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.
Beil
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Christopher
